Wer die schlichte Johanniskirche in der Mainzer Altstadt zunächst von außen sieht, vermutet wahrscheinlich einen typischen 50er Jahre Nachkriegsbau mit historischem Kirchturm. Tatsächlich ist die Johanniskirche, die älteste Mainzer Kirche.
Am 01.12.2022 besichtigte eine Gruppe des HGV Finthen, die in der Kirche seit 2013 laufenden Ausgrabungen. Unter der kompetenten Führung von Christiane Wolf, Architektin des evangelischen Dekanats in Mainz, konnten wir zunächst im westlichen Außenbereich römische Spolien und einen diagonalen Mauerzug sehen, bei dem es sich um die Reste des um 560 bei Venantius Fortunatus erwähnten Baptisteriums des Bischofs Sidonius handeln könnte. Aufgrund der diagonalen Struktur vermuten die Archäologen, dass es sich um eine oktogonale Taufkirche gehandelt hat. Spannend!
Durch den Westchor betraten wir St. Johannis noch auf heutigem Bodenniveau, bevor es den Laufgittern folgend treppab und treppauf durch barocke, gotische und romanische Bodenebenen ging. Durch die Ausgrabungen war klar geworden, dass bereits im 2. Jahrhundert ein römischer Großbau an dieser Stelle lag, ca. 6 Meter unter dem heutigen Bodenniveau! Noch in römischer Zeit wurde der Bau verändert und umgebaut, es entstand ein Pfeilerbau, bei dem es sich bereits um eine Kirche gehandelt haben könnte. Unabhängig von seiner Funktion, ging durch An- und Umbauten aus diesem Pfeilerbau im 10. Jahrhundert eine dreischiffige Basilika hervor, bei der Hatto I. als Bauherr gilt. Nimmt man den römischen Pfeilerbau als „Startpunkt“, so ist die Johanniskirche als Gebäude mindestens 500 Jahre älter, als der heutige Mainzer Dom.
Über die Jahrhunderte folgten etliche weitere An- und Umbauten. Vor allem im Barock wurde das Bodenniveau deutlich angehoben, so dass die Kirche im Inneren gedrungener wirkte, als zu Ihrem Baubeginn. 1942 folgte die Zerstörung der Kirche, deren Wiederaufbau 1956 abgeschlossen war.
Woher weiß man aber nun, dass es sich bei der Johanniskirche um den Alten Dom handelt? Die Vermutung bestand schon länger. Durch eine Überlieferung war bekannt, dass der von 1011 -1021 amtierende Erzbischof Erkanbald im Alten Dom von Mainz begraben sei. 2019 wurde schließlich ein Sarkophag entdeckt. Bereits dessen exponierte Lage mitten in der Kirche und die bauliche Ausführung des Sarkophags, deuteten auf einen hohen kirchlichen Würdenträger hin. Nach der C14 Methode konnte der Bestattete mit einer Abweichung von + - 20 Jahren auf das Jahr 1000 datiert werden. Den entscheidenden Hinweis brachte jedoch die Textilanalyse, mit deren Hilfe ein Pallium festgestellt werden konnte, wie es nur Erzbischöfe trugen. Da der Vorgänger Erkanbalds, Willigis ins St. Stephan und sein Nachfolger Arbio, im Neuen Dom bestattet wurden, war klar, dass es sich bei dem Toten nur um Erkanbald handeln konnte, und damit bei der Johanniskirche um den Alten Dom.
2023 wird der HGV, gerne wieder unter der Leitung von Christiane Wolf, die Johanniskirche erneut besuchen, um den weiteren Fortschritt zu erkunden!
Wer mehr über den Alten Mainze Dom erfahren möchte, findet hier eine sehr informative Internetseite mit vielen Fotos und Videos.
Ingo Schlösser
Bild: Die Teilnehmer des Rundganges Bildquelle: Agnes Wintrich